Susanne Knaack

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"Wie konnte mir das passieren? Der Eimer mit Farbe ist umgekippt. Fünf Liter Schwarz vergeudet! Nun schwimmt es auf der weiß grundierten Leinwand, die auf dem Atelierboden liegt. Ich fische nach dem Bilderrahmen, lupfe eine Ecke, kriege sie halbwegs zu packen, doch sie rutscht mir wieder aus der Hand, klatscht in die Pfütze, spritzt alles voll, und ich denke über die Vorteile eines Bürojobs nach. Aber ist nicht alles aus einer Suppe, der Ursuppe, entstanden? In diesem Gedanken kippe ich jetzt noch weiße Farbe dazu, als Kontrast sozusagen – vielleicht ergibt sich ja etwas daraus. Wieder kriege ich eine Ecke Leinwand zu fassen. Diesmal packe ich geschickter zu, die Farben mischen sich und laufen über die schräg gekippte Leinwand auf den Boden. Langsam fängt das Missgeschick an, Spaß zu machen. Ich kippe, drehe schüttele und schaukele die Leinwand weiter, und nach und nach entsteht dort ein Horizont. Auf dem Boden sammelt sich eine klebrige Lache aus Farbe. Schließlich schiebe ich das Bild beiseite, an einen trockeneren Platz im Atelier. Es folgt ein prüfender Blick, ein Schritt zurück, dann steige ich auf meine Leiter, um eine bessere Übersicht zu haben. Von oben aus sieht alles so viel harmloser aus, zu harmlos. Also nehme ich ein Töpfchen Weiß, gehe zurück zum Bild, tunke meine Finger in die Farbe und beginne zu schnipsen. Das spritzt wieder, diesmal Weiß auf Schwarz. Die Farbe verläuft nass in nass auf dem neuen Bild, und plötzlich werden die Spritzer zu Gischt, zu Brandung, schließlich zu einem Wellenberg, der zum Schluss die Fläche bestimmt. Ich betrachte erneut mein Werk, gebe dem Ganzen noch einen Stups und lasse das Bild trocknen.
Man könnte also sagen: Mein erstes „Seestück“ hat sich vor zehn Jahren selbst gemalt. Doch aus dem Missgeschick ist inzwischen meine eigene Technik geworden. (...)"

aus: Judith Borowski (Protokoll): Kunststück! Was haben Sie sich dabei gedacht, Frau Knaack?, in: Financial Times Deutschland, 31.08.-02.09.2007, 169/35.

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